Bisher spielt ein Begriff hierzulande öffentlich keine Rolle, der selbst bei den Wahlen in Russland für die Opposition wichtig war, der aber auch bei den letzten Wahlen in Frankreich alle beschäftigt hat. Hier haben ihn dann die Politanalysten hin- und her gewälzt haben als ein pfiffiges Instrument in politisch kniffligen Zeiten: das Smart-Voting. Das kluge Wählen, die Wähler:innen eines Bezirks konzentrieren ihre Stimme auf den erfolgversprechendsten demokratischen Kandidaten einer oppositionellen Partei oder parteiinternen Opposition (Russland) oder Gegner des rechtsradikalen französischen Rassemblement National.
Selbstverständlich, die Wahlsysteme sind vollkommen unterschiedlich und die Parteien auch – und doch steckt darin eine Logik, die auch für uns hier in Brandenburg und ganz besonders im Wahlkreis 32 Strausberg-Rüdersdorf-Petershagen- Eggersdorf gelten sollte. Das hängt direkt mit dem absurden Lauf der AfD zusammen, der sie möglicherweise zu Erfolgen bei Erststimmen führt, die ihr nicht nur überdimensional Macht zuschanzen, sondern den Landtag in Chaos und Krise stürzen.
Zwischen 35 und 42 der 44 Brandenburger Wahlkreise könnte die AFD nach den letzten Wahlkreisprognosen direkt, also mit den Erststimmen gewinnen. Damit hätte sie alleine damit schon eine Mehrheit im 88-köpfigen Landtag. Die notwendig werdenden Überhangmandate könnten aber sogar die vorgeschriebene Deckelung der Abgeordnetenzahl sprengen, der Landtag wäre handlungsunfähig. Klug wählen in dieser Situation bedeutet also nicht nur, der AfD durch Prozente abzujagen durch die Wahl demokratischer Parteien, sondern klug ist es, dort die Erststimmen auf demokratische Direktkandidatinnen und – kandidaten zu konzentrieren, wo die überhaupt in die Nähe eines Sieges über die AfD-Kandidaten kommen können.
Diese Überlegung müsste überall im Land gelten, hat aber unseren Wahlkreis 32 besondere Bedeutung, er ist einer der wenigen, der für die AfD den Prognosen nach nicht sicher ist. Jede Erststimme für die Kandidatinnen und Kandidaten der Grünen und der FDP ist als Stimme gegen Rechts verschenkt. Eine Erststimme für die nicht aussichtsreiche, aber über ihre Parteiliste abgesicherte SPD-Kandidatin ist eine symbolische zusätzliche Stimme für die Regierungspolitik der letzten 5 Jahre, ungedeckter Vorschuss auf weitere 5 davon. Das BSW stellt keine Direktkandidaten auf und die CDU ist chancenlos gegen die AfD (politisch auch keine Alternative zur Alternative). Bleibt als oppositionelle, demokratische Direktkandidatin mit einer Chance auf Sieg gegen den AfD-Kandidaten im Wahlkreis: 32 Kerstin Kaiser.
Ein solcher, durch klugen Einsatz der Erststimme aller demokratischen Wählerinnen und Wähler erreichter, Erfolg würde mehrfach und über die Linke hinaus zählen. Niederlage für einen AfD-Kandidaten, selbst wenn die AfD stärkste Partei würde, Verringerung ihrer Direktmandate, Stärkung der demokratischen Opposition im Landtag und ein direkter Draht der Region/des Wahlkreises im Parlament und – das gilt für alle ehemalige Linkewählerinnen und -wähler, die sie diesmal aus Frust eigentlich nicht mehr wählen wollten – mit diesem Direktmandat wäre die Linke im Landtag auch vertreten, wenn sie die 5%-Hürde nicht schaffen würde. Was alle guten Geister verhindern mögen…
P.S. Den Regierungsparteien SPD, CDU, Grüne ist „smart-voting“ bestens bekannt, offensichtlich haben sie sich zusammengesetzt. Ohne die demokratische Opposition, die blieb ausgeschlossen. Nützen soll es dem Koalitionserhalt, dem „Weiter so“, nicht einer anderen, sozialeren Politik durch Stärkung der Opposition. Hier konkret: Unterstützung einer linken Kandidatin in WK 32 MOL und vielleicht auch anderswo. Kollateralschaden in Kauf genommen: ein oder mehrere unnötige Direktmandate für die AfD. so wie es hier in WK 32 MOL droht, wenn nicht…die Wählerinnen und Wähler klüger sind als die Parteizentralen der Regierungsparteien.