Als Verteidigungsminister Pistorius „Kriegstüchtigkeit“ den deutschen Tugenden – Fleiß, Pünktlichkeit und einige andere, die man besonders bei der Deutschen Bahn studieren kann – hinzufügen ließ, ploppte selbst in der SPD-Bundestagsfraktion kurz Kritik auf. „Wehrtüchtigkeit“ träfe es doch besser. Eine Ablenkungsdebatte ums Wort fegte durchs Land, die den gemeinsamen ganz realen Hintergrund beider Wörter mit einem Schleier der Einigkeit fast aller politischen Lager verhüllte: die rasante „Ertüchtigung“ der deutschen Rüstungsindustrie, der deutschen Regierungs- und Haushaltspolitik und der deutschen Gesellschaftspolitik zur Kriegsführungsfähigkeit. „Nicht nur die Bundeswehr, das ganze Land soll kriegstüchtig werden.“(Tagesspiegel). Oder „unser Föderalismus muss verteidigungsfähig werden“ (MP Boris Rhein, CDU Hessen).
Und natürlich die Menschen darin, ein Mentalitätswechsel muss her und das schon seit langem (für historisch Interessierte: Die nach 1945 »gewachsenen Instinkte der Menschen« ließen sich »nicht einfach wegkommandieren«. Man habe sie vielmehr »Schritt für Schritt« abzutragen, VertdgMin Rühe 1992. Damals ging es um Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ein anderer, früherer Feldherr hat das schneller geschafft: es war nötig dem deutschen Volk „langsam klarzumachen, daß es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen. Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, daß die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien begann“…).
Das Wort „kriegstüchtig“ hat seine provokatorische Aufgabe erfüllt und wir sehen, dass Wehr- und Verteidigungstüchtigkeit von Bunker- und Brückenbau („Auf der A2 in den Krieg“-Spiegel und „Operationsplan Deutschland“) bis zu staatlicher Beteiligung an Rüstungsindustrien und Schlüsseltechnologien reichen (Entwurf „Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie“ der Bundesregierung), von der Stationierung atomwaffentauglicher Mittelstreckenraketen (nicht den Deutschen aufgedrückt, sondern geradezu erbeten und zwar vor Beginn des Ukrainekriegs) bis zu neuen Fabriken in der Ukraine, wo Schützenpanzer baut und eine Munitionsfabrik. Von der Leyen möchte „nicht tatenlos zusehen, wie Europa ausgelöscht wird“ und fordert „endlich eine Europäische Verteidigungsunion“ mit der entsprechenden Kriegswirtschaft. Und?
Bayern ist noch vor der Sommerpause einen Schritt weitergegangen an und in die Köpfe der -vor allem jungen – Menschen.
In einem „Bundeswehrförderungsgesetz“ (LT-Drs. 19/1556; GVBl. Nr. 14 v. 20.07.2024)schreibt die Landesregierung Bayern, „gewissermaßen unser Beitrag zur Zeitenwende“, die Militarisierung von Schulen, Universitäten, Forschungseinrichtungen und Hochschulen gesetzlich vor.
„Neben einem prinzipiell verordneten Kooperationsgebot wird auch ausdrücklich eine Kooperationspflicht der Hochschulen vorgeschrieben, wenn dies „im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist“. … eine „reibungslose Zusammenarbeit“ mit der Bundeswehr (soll) sichergestellt werden, außerdem ihr „ungehinderter Zugang“ zu Forschung und Entwicklung an Hochschulen, zu wissenschaftlichem Know-how und wissenschaftlich qualifizierten Fachkräften, so die Begründung. Im Gesetzestext heißt es wörtlich: „Erzielte Forschungsergebnisse dürfen auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der Nato-Bündnispartner genutzt werden“…. „Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig“.“ (R. Gössner aus „OSSIETZKY“. Nr. 17-2024 v. 24.08.2024). Diese Klauseln gibt es in Bayern noch nirgendwo.
Das Zwillingspaar Wehrkunde und Kriegspropaganda grüßt und alle staatlichen Bildungseinrichtungen müssen den Kotau machen.
Dieser massive Eingriff in die Freiheit von Bildung, Lehre und Forschung wurde im Juli 2024 gegen heftigen Widerstand von Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und einer Vielzahl prominenter Kritikerinnen und Kritiker im Landtag durchgepowert. Mit den Stimmen der SPD, gegen butterweiche Grüne („Wir brauchen eine starke Bundeswehr – dafür sorgt die Bundesregierung. Hier in Bayern sollten Sie (die Regierung) endlich anfangen, Landespolitik zu machen.“) und Enthaltung der AfD.
Von Bayern lernen heißt,
- auch Militarisierung ist Ländersache. Nicht nur Raketen muss eine Landesregierung die Rampen und Kommandos verweigern, ein Bevölkerungsschutz, der den Namen verdient, darf nicht an militärischen Zwecken ausgerichtet sein. Industriepolitik hat friedlichen Zwecken zu dienen. Vor allem aber muss eine Landesregierung dafür sorgen, dass in ihren Bildungseinrichtungen, solange sie dort noch das Sagen hat, Militär, Werbung für Militär und Forschung für Kriegstüchtigkeit nichts zu suchen haben. Soldat ist kein Beruf wie jeder andere.
- die parlamentarische und außerparlamentarische Opposition stärken gegen diesen Militarisierungskurs. Der bekennende Entspannungspolitiker Platzeck sagte auf einer Wahlveranstaltung (27.08.) zwar, er könne sich ein Gesetz à la Bayern hier nicht vorstellen. Sicher ist das nicht bei einem Ministerpräsidenten, der erst nach Kommunal- und Europawahlen seine Friedensader entdeckt hat und wieder mit schwarzen und grünen Kriegsbefürwortern regieren will.